Adelsfehden und Raubrittertum
Ende des 14. Jahrhunderts lebten in Berlin/Cölln schätzungsweise 8000 bis 8500 Menschen, die in etwa 1000 Häusern wohnten. Die Stadt besaß drei Rathäuser, drei Hospitäler, Kirchen und Klöster. Umgeben von einer hohen Mauer, von Wällen und Gräben, glich die Stadt einer festen Burg, während draußen im Land Adelsfehden und Raubrittertum die Mark Brandenburg langsam in ein Chaos versinken ließen.
An der Wende vom 14. zum 15. Jahrhundert spitzte sich die Lage auch für die märkischen Städte zu. Handel und Verkehr waren schwer gestört und wichtige Handelswege zeitweise gänzlich unterbrochen. In diesen Wirren spielte das Adelsgeschlecht der Quitzows eine besondere Rolle. Die Quitzows, die sich nach der nordwestlich von Perleberg gelegenen Burg und Ortschaft in der Prignitz nannten, nutzten die offenkundige Schwäche der Landesherren, um in der Mittelmark eine beherrschende Position zu erringen. Die Städte versuchten sich 1399 durch ein erneutes Bündnis zu schützen. Für Berlin und Cölln verschärfte sich jedoch die Situation dramatisch, als 1402 die Herzöge von Pommern in den Barnim einfielen und zusammen mit den Quitzows Schloß Bötzow (Oranienburg), Burg Neumühl und die Stadt Strausberg (***?)rotierten. Das Bündnis zwischen den Quitzows und den Pommern ging bald in die Brüche. Der Berliner Raum wurde zum Schauplatz heftigster kriegerischer Auseinandersetzungen. In dieser Notlage schlossen die Berliner ein Bündnis mit den Quitzows. Sie machten Johann von Quitzow zum Landeshauptmann der Mittelmark und übergaben Dietrich von Quitzow die Führung der Truppen. Tatsächlich gelang es ihm, die Pommern aus Bötzow und Strausberg zu vertreiben. Berlin feierte dies als große Befreiung. Die Freude währte jedoch nicht lange. Bald schon kam es zu Unstimmigkeiten zwischen den Quitzows und der Stadt, im Jahre 1410 gar um offenen Bruch. Dietrich von Quitzow trieb den Berlinern und Cöllnern das vor den Mauern weidende Vieh fort und raubte die Stadtdörfer aus. Die wichtigsten Burgen, Saarmund und Köpenick, hatte er schon vorher besetzt und kontrollierte damit fast alle wesentlichen Zugänge der Stadt.
Berlin und die ersten Hohenzollern
Die Berliner waren dagegen hilflos. Die Berliner Bürgerwehr hatte im Kampf mit den Quitzows eine schwere Niederlage erlitten. Die Situation besserte sich erst, als nach dem Tod des Markgrafen Jost von Mähren König Sigismund den Nürnberger Burggrafen Friedrich aus dem Geschlecht der Hohenzollern zum Hauptmann der Mark bestellte. Mit Hilfe der mittelmärkischen Städte, insbesondere Berlins, besiegte Friedrich zunächst am 24. Oktober 1412 am Kremmer Damm die Pommern, und im Februar/März des Jahres 1414 unterwarf er den aufständischen Adel, einschließlich der Quitzows. Anschließend verkündete er ein Landfriedensgesetz, das alle Fehden für die Zukunft verbot. Wegen seiner Verdienste um die Mark verlieh ihm König Sigismund auf dem Konstanzer Konzil die Würde eines Markgrafen und Kurfürsten.
Mit der Belehnung Friedrichs mit der Kurfürstenwürde des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation und der Markgrafenschaft Brandenburg begann die fünfhundertjährige Herrschaft des Hauses Hohenzollern in der Mark Brandenburg, die erst 1918 durch die Novemberrevolution beendet wurde. Der erste Kurfürst aus dem Haus Hohenzollern hatte die Mark Brandenburg mit Hilfe der Städte befriedet. Er erwies sich auch weiterhin als ein Freund der Städte. So griff er ausgleichend in städtische Konflikte ein, ohne den Versuch zu machen, ihre Freiheiten zu beschneiden.
Dieses gute Verhältnis zwischen dem Landesherrn und den Städten änderte sich, als Friedrich 1426 seinem ältesten Sohn, Johann (genannt "der Alchimist"), Statthalterschaft und Markgrafenwürde übertrug. Wie viele andere deutsche Fürsten wollte auch Johann die Territorialgewalt (die Macht der Landesfürsten) stärken und die Autonomie der Städte beschränken. Diese verweigerten sich jedoch entschieden *** territorialen und finanziellen Forderungen des Markgrafen. Auf dem Hansetag zu Lübeck, 1430, auf dem gemeinsamer Widerstand gegen fürstliche Übergriffe beschlossen wurde, erschienen daher auch seit langer Zeit wieder Berlin und Cölln.
Das Spannungsverhältnis zwischen dem Markgrafen und den mittelmärkischen Städten spitzte sich zu, als Brandenburg, Berlin, Cölln und Frankfurt einen erneuten Städtebund eingingen, der deutlich gegen die landesherrliche Gewalt gerichtet war. Vor allem das alte brandenburgische Recht sollte gegen alle Angriffe verteidigt werden.
Um ihre Stellung gegenüber dem Landesherrn noch weiter zu festigen, stellten Berlin und Cölln ihre inneren Rivalitäten und Streitigkeiten zurück und gingen im Juni 1433 ein Bündnis ein, das praktisch einem vollen inneren Zusammenschluß gleichkam. Diese Vereinigung zur Beilegung bisheriger und zur Vermeidung künftiger Konflikte war sowohl eine Bestätigung als auch eine Erweiterung der Union vom 20. März 1307.
Dem nun gemeinsamen Stadtrat gehörten zehn Berliner und fünf Cöllner Ratsherren an. Berlin stellte zwei, Cölln einen Bürgermeister. Das Gericht setzte sich jetzt aus vier Berlinern und drei Cöllner Schöffen zusammen. An seiner Spitze stand der Berliner Schultheiß.
Alle wesentlichen inneren und äußeren Angelegenheiten, auch die Einkünfte und Ausgaben der Stadt, wurden jetzt vom gemeinsamen Rat im Rathaus auf der Langen Brücke beschlossen. Dem Rat gehörte jedoch kein Vertreter der Handwerker und der einfachen Bürger an, und die Gilden und Innungen blieben von der Vereinigung ausgeschlossen. Dies sollte noch weitreichende politische Konsequenzen haben.
Kunst und Kultur
Im Vordergrund der Politik des Großen Kurfürsten stand zweifellos die Festigung seiner Macht und der wirtschaftliche Aufbau des Landes, er förderte aber auch die Kunst und die Wissenschaft.
Schon zu Beginn seiner Regierungszeit hatte Friedrich Wilhelm Kunstschätze verschiedener Art sowie Gemälde niederländischer Meister gesammelt und sich um den Aufbau einer Gemäldegalerie bemüht. Diese war im Cöllner Stadtschloß untergebracht. Später widmete er sich den italienischen und französischen Meistern des 16. Jahrhunderts. Seine Kunstsammlungen wurden zum Grundstein der heutigen Berliner Museen. Der Große Kurfürst nahm auch bildende Künstler in großer Zahl auf und förderte sie.
Musikalisch erlebte Berlin eine erste Blüte: von 1622 - 1662 wirkte Johann Krüger in der Stadt, der u. a. die Gedichte und Kirchenlieder Paul Gerhardts vertonte. Sein 1630 erschienenes Lehrbuch der Komposition machte ihn weit über Berlin hinaus bekannt.
Schließlich gewann Berlin auch als Druck- und Verlagsort an Bedeutung. Die erste Druckerei war zwar schon 1540 eingerichtet worden, um anläßlich der Reformation die neue Kirchenordnung zu vervielfältigen, jetzt aber erschienen auch die ersten Zeitungen.
Bildung und Wissenschaft
Ähnlich intensiv wie bei der Kunst waren die Bemühungen des Großen Kurfürsten zur Förderung von Bildung und Wissenschaften. 1654 gründete er in Duisburg die dritte Landesuniversität nach Frankfurt a. d. Oder und Königsberg in Preußen.
Berlin verdankt ihm das Joachimsthalsche und das Friedrichswerdersche Gymnasium. Daneben bestanden das Cöllnische und das Berlinische Gymnasium. Im Unterschied zu den einfachen Stadtschulen herrschte hier die lateinische Ausbildung vor, die zur Aufnahme eines Universitätsstudiums befähigte. Mit der Errichtung einer großen Bibliothek, die 1686 schon 1600 Handschriften und über 20 000 gedruckte Werke enthielt und die auch den Bürgern der vier Städte offenstand, legte er den Grundstock der Preußischen Staatsbibliothek und hatte einen erheblichen Anteil am Aufschwung der Wissenschaften.
Noch während der letzten Lebensjahre Friedrich Wilhelms kam mit Samuel von Pufendorf (1632 - 1694) einer der bedeutendsten Juristen seiner Zeit an den Berliner Hof. Pufendorf hatte sich durch seine Arbeiten über das Natur- und Völkerrecht einen Namen gemacht. Mit seiner zweibändigen Lebensgeschichte des Großen Kurfürsten erschien eines der ersten politischen Geschichtswerke des brandenburgisch-preußischen Staates.
Die vielseitigen Interessen des Kurfürsten wandten sich aber auch der staatlichen Gesundheitspflege zu. Die von ihm 1685 erlassene Medizinalordnung schuf mit dem "Collegium Medicum" eine Behörde, die eine bessere ärztliche Versorgung vorbereiten sollte.
Bei allem Fortschritt war aber das Mittelalter noch keineswegs ganz überwunden, was u. a. die alchemistischen Experimente Johann Kunkels auf der Pfaueninsel bezeugen, die der Kurfürst auf das lebhafteste förderte. Kunkel gelang zwar nicht die gewünschte Erzeugung von Gold und Silber, aber immerhin die Herstellung des Rubinglases.
Einen weiteren Fortschritt der Wissenschaft bedeutete in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts die Einführung der Kartographie in Berlin. 1685 erschien der Plan des Ingenieurs N. La Vigne, der Berlin mit seiner dörflichen Umgebung zeigt. Im Todesjahr des Großen Kurfürsten, 1688, veröffentlichte Johann Bernhard Schulz seinen Perspektivplan, der ein detailliertes Bild Berlins bietet. Der Plan mit seiner imposanten Größe von 139 x 47 cm verherrlicht die Leistungen des Großen Kurfürsten für seine Residenz Berlin, von deren Bauten genaue Angaben gemacht werden.
Am Ende der Regierungszeit des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm war die Bevölkerung Berlins von 6000 auf 20 000 Einwohner angewachsen. Im Vergleich mit anderen europäischen Städten wie Paris oder London, in denen damals schon mehr als 700 000 Menschen lebten, sicherlich nicht viel, aber angesichts der Schäden des Dreißigjährigen Krieges war es alles in allem eine stolze Aufbauleistung und ein vielversprechender neuer Anfang.
Jedenfalls ist es der Bevölkerungs-, Wirtschafts-, Finanz- und Kulturpolitik des Großen Kurfürsten zu verdanken, daß Berlin schon im 17. Jahrhundert einen "Modernisierungsschub" erlebte, der der Stadt einen wichtigen Vorsprung vor anderen mitteleuropäischen Städten verschaffte. Als er 1688 starb, hatte er die Fundamente gelegt, auf denen seine Nachfolger den Staat der Hohenzollern weiter entwickeln konnten. Für Berlin war der Weg zur Großstadt und zur künftigen Hauptstadt vorgezeichnet und geebnet.
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