Aus Anlaß des 70. Geburtstages der Bundesvorsitzenden des DAB e. V., Prof. Dr. Elisabeth de Sotelo, veranstaltete der DAB-Ausschuss für Kultur und Medien am Sa 4.2.2012 einen Feierlichen Vortragsabend zum Thema "Die Kreativität der Mütter"
Copyright: Fotos © 2012 PRADOC
Fotos v.l.n.r.: Robert, Würz, Musiker; Irmgard Kahl, Vorstandsmitglied, DAB München; Sibylle Laurischl, MdB, DAB Freiburg; Moderation: Anne Schäfer-Junker, Berlin, DAB.
Copyright: Fotos © 2012 PRADOC
Obere Reihe: Patricia Aden, DAB-Essen; Elke Blauert, Berlin, DAB; Dagmar Pohl-Laukamp, vormalige DAB-Bundes-vorsitzende, DAB-Lübeck;
Untere Reihe: Elisabeth de Sotelo, Bundesvorsitzende d. DAB; Irmgard Kahl, Vorstandsmitglied DAB Bundesvorstand; Sara Lubig-Sotelo m. Geburtstagstorte, DAB Köln; Helene Haun, DAB-Schatzmeisterin, Bochum; Dr. Gabriele Gehlen, DAB Berlin; Elisabeth de Sotelo, Ruth Hagengruber, DAB Paderborn; Sibylle Laurischk, MdB, DAB Freiburg.(Kontakt + alle Namen können bei info(at)spreeinsel.de erfragt werden.)
Anne Schäfer-Junker, Vorsitzende des DAB-Ausschusses für Kultur und Medien
Berlin den 4.2.2012
DIE KREATIVITÄT DER MÜTTER
Jüngst veröffentlichte die bundesweit erscheinende Quartalszeitschrift KONSENS des Deutschen Akademikerinnenbundes e. V. unter dem Titel „Ambivalenz der Mutterschaft“ einen auf einem script von 1992 basierenden, aktualisierten Beitrag von Prof. Dr. Elisabeth de Sotelo. Die Aktualität ist erstaunlich! Frau Prof. Dr. de Sotelo beschreibt unter soziologischen und erziehungswissenschaftlichen Aspekten die Ambivalenz der Rolle der Frau als Mutter – zwischen eigenem Anspruch, vielschichtigen Abhängigkeiten und wirtschaftlichen Zwängen. Erwerbsbiografien von Frauen weisen oft große Lücken auf wegen der Kindererziehungszeiten und erschwerter Möglichkeiten, danach in den Beruf zurückzukehren, auf. Oft widmen sich Frauen der Betreuung pflegebedürftiger Angehöriger und die ohnehin im Durchschnitt geringere Vergütung von Frauen führt zu niedrigeren Leistungen in der gesetzlichen Rentenversicherung. Spätere Vorsorgelücken sind besonders bei Frauen eklatant.
Mütter sind verantwortungsbewusst und kreativ – macht sie das besonders angreifbar? Allein erziehend zu sein ist in Deutschland vielfach Alltag. Beispielsweise rund 66.000 allein erziehende Mütter und Väter leben in Hamburg. Zu ihnen gehören mehr als 70.000 Kinder. Damit wächst jedes vierte Hamburger Kind in einer Einelternfamilie auf. Anfang 2010 waren 7231 Alleinerziehende in Hamburg auf Jobsuche - ein schweres Unterfangen. Viele sind schon seit Jahren arbeitslos. Gehen die Fortschritte der Technologie-Gesellschaft zu Lasten ihrer sensibelsten Mitglieder?
Die zivilisatorisch hoch entwickelte Gesellschaft steht unter Wachstumsdruck und der ökonomischen Fundierung ihrer Ansprüche. Familiengestaltung, Schul- und Lernprozesse und eine gesunde seelische Entwicklung der Kinder sind oft ökonomischen Zwängen unterworfen. Es gibt keine Gesundheit ohne seelische Gesundheit! Seelische Gesundheit ist von grundsätzlicher Bedeutung. Psychische Erkrankungen sind viel weiter verbreitet als allgemein angenommen wird und besonders Frauen sind betroffen. Die Betroffenen leiden häufig doppelt, unter der Erkrankung selbst sowie unter der Ausgrenzung durch ihre Umwelt. Die Folgen zeigen sich besonders in Familien mit Kindern – durch Vernachlässigung, Gewalt und Verwahrlosung. Statistisch betrachtet erkranken jede zweite Frau und jeder dritte Mann im Laufe des Lebens an einer psychischen Störung. Diese Zahlen machen deutlich wie wichtig es ist, nach sensiblen und neuen Wegen der Hilfe und der Beratung zur Lebensgestaltung zu suchen.
Dass Kindererziehung kulturelle und hochkreative Lebensprozesse sind und ihren Eltern Kraft und Opfer abverlangen, wird oft selbst von den Müttern und Vätern nicht ausreichend erkannt. Dabei gilt gerade schon im Kleinkindalter geregelte phantasievoll-liebevolle Aufmerksamkeit und anregende Beschäftigung sind wichtige Erfolgsfaktoren guter Kindererziehung, denn: „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmer mehr “. Was für ein einfaches aber sinnreiches Wort, das die Verantwortung von Müttern und Vätern deutlich macht! Dass Mütter und Väter von Natur aus kreativ sind, wird in erfolgreichen Familien deutlich, d.h. in Familien, die unter harmonischen Voraussetzungen leben, die ihre Verhältnisse nach ihren Vorstellungen und Ansprüchen gestalten können. Soziologen und Psychologen analysieren Bedingungen für Kreativität und Leistungsvoraussetzungen in Lehre und Beruf. Dass Lebensgestaltung in den Familien vor allem schöpferische Ideen und Betätigeungen haben müsste, darüber wird wenig geschrieben. Die Schwangerschaft an sich ist ein schöpferischer Prozess in allen seinen Ausprägungen. Das psychische Erleben, die Anstrengungen und die Vorfreude auf das neue Leben rücken das Neue als kreativen Prozess schon frühzeitg in den Vordergrund des Lebens der Mutter. Die Phantasie der Frau als Mutter nimmt schon mit Beginn der Schwangerschaft alle ihre Sinne, Mut und Kraft in Anspruch.
Frauen sind sich der Verantwortung für dieses Neue immer bewusst. Durch Überlastung, Unverständnis und Rücksichtslosigkeit sind sie allerdings besonders angreifbar. Mütter sind dann überfordert, wenn sie selbst nicht genügend ideellen oder finanziellen Freiraum für ausgewogene familiäre Erfüllung und genügend Zeit für eigene Interessen finden können, weil der Alltag ihnen über den Kopf wächst. Die Erkenntnis, dass Mutterschaft im Alltag vor allem ein kreativer existentieller Prozess ist, der erlernt und gelebt werden kann und muss, hat sich in Deutschland noch nicht durchgesetzt und wird dementsprechend wenig erforscht und publiziert. Durchforstet man den Büchermarkt nach diesem Thema, so stößt man lediglich auf ein einziges Buch: campus, Corinna Knauff „Bin ich eine gute Mutter“. Aufschrei, Kampfschrift und Unabhängigkeitserklärung in einem , schreibt „Psychologie heute“. „Muttersein" ist längst ein Hochleistungssport geworden — und die Mütter selbst bleiben mit ihren Bedürfnissen auf der Strecke! Doch Mütter dürfen auch mal egoistisch sein und an sich denken, ohne dass dies gleich schadet.
Die gegenwärtig Debatte um die Frauen-Quote in Unternehmensleitungen und auf Führungsetagen unterschätzt die Voraussetzungen, die Frauen für eine Familienplanung und die Erziehung ihrer Kinder brauchen: Grundsicherung der Lebensverhältnisse und moderne Betreuungsmöglichkeiten. Die individuellen Motivationen von Müttern und Vätern zur Familiengründung, die besonders in der individuellen, persönlichen Leistung zur Familiengestaltung liegen, werden in solchen Debatten gar nicht erst benannt. Das führt zu verkrampften Diskussionen, oft über die Medien ausgetragen. Der Kampf um die nunmehr notwendige Frauenquote wird inkonsequent verhandelt oder lächerlich gemacht. Frauen sollten solidarischer miteinander umgehen, kommunikativer und wirtschaftlich aktiver werden, um nicht erkannte Gestaltungsspielräume zu nutzen. Eine gesellschaftliche Förderung der Erziehungszeiten und verlässliche (Ganztags)-Betreuung gelingt nur, wenn Mutterschaft und Vaterschaft nicht als Almosengabe im Bewusstsein der Gesellschaft wahrgenommen werden. Die Politik der vormaligen Familienministerin Ursula von der Leyen stärkte die Familienplanung durch die Anerkennung von Erziehungszeiten. Familienministerin Kristina Schröder und deutsche Wirtschaftsverbände unterzeichneten 2011 die „Charta für familienbewusste Arbeitszeiten: Zeit für Verantwortung“. Dies sind Willensbekundungen, aber Schritte in die richtige Richtung. Nicht nur der demografische Faktor zwingt unserer Gesellschaft, diese Problematik ernsthafter in den Mittelpunkt der zu lösenden Zukunftsfragen zu stellen.
Immer mehr Männer bekennen sich zu ihrer Rolle als Väter und zeigen dies auch, wie es z. B. jüngst in einem EU-Gerichtsurteil zum Sorgerecht für unverheiratete Väter zum Ausdruck kam. Die Gender-Bewegung der 1990er zeitigt Erfolge. Eine Gleichstellung von Männern und Frauen setzt sich vor allem in vielen Familien-Unternehmen und in öffentlichen Verwaltungen durch. Frauen wie Elisabeth de Sotelo haben dazu einen großen Beitrag geleistet. Der Deutsche Akademikerinnenbund lädt deshalb am 4. Februar 2012 zu Ehren von Elisabeth de Sotelo zu einer Vortragsveranstaltung zum Thema „Die Kreativität der Mütter“ ein. Wie weit es gelingt, eine breitere Öffentlichkeit für dieses Thema zu gewinnen, bleibt am heutigen Tage offen.
Presse
Berliner Zeitung online 4.2.2012
Frankfurter Rundschau 4.2./5.2.2012 |